Kunstdruck 29,5 cm x 32 cm mit Textblatt
„Und sie sagte ihm die ganze Wahrheit …“
Markus, 5, 25–34
„Da war eine Frau“ – eine von vielen, die unter einem heimlichen Joch stehen:
Ausgehöhlt von verinnerlichten Forderungen und Idealen. Getrieben von dem
Anklägergeist „Du genügst nicht.“ Gequält vom Kreislauf widersprüchlicher
Schuldgefühle.
Unter solchen Treibern „versiegen Quellen des Lebens, des Blutes“. Die
Über-Stimme – im Bild angedeutet durch eine etwas gespenstische, gleichsam
aus der Frau selbst herauswachsende Gestalt – klammert mit langen
Spinnenarmen jede Bewegung fest. Sie hält „im Tief“, saugt am Mark der
Existenz, isoliert. So beherrscht, wird vergeblich eingesetzt, was man hat.
„Seit zwölf Jahren“ ist die Frau am Verbluten nach innen, nach außen. Sie
kämpft um das Überleben, vertraut Helfern und Ärzten. Umsonst. Der Mut sinkt,
sich weiterhin zu öffnen mit dem Leiden, das sie als Strafe, als Makel empfindet.
Die Kraft verdorrt. Wie soll sie die ihr auferlegte Isolation überwinden?
Ausgemergelt bis auf die Knochen ist sie am Ende ihrer Möglichkeiten.
In diese Aussichtslosigkeit fallen Berichte von Jesus: leise Lichter. Sie entzünden
im Schattengrau des nahen Todes eine erstaunliche Gewissheit: Hier ist Gott
selbst am Werk. Die Frau mischt sich unter die farbige Menge, durchbricht das
Gebot, den Menschen fern zu bleiben wegen ihrer Krankheit. Von hinten her
kommend, wagt sie es, ein Zipfelchen seines Lichtes zu berühren, den Saum
seines Gewandes. Sie weiß: Jesus hat Macht über Leben und Tod.
Behutsam antwortet er auf diesen verzweifelten Glauben. Er wendet sich um zu
ihr, lockt aus Beschämung und Verschlossenheit. In seinen gütigen Augen erkennt
sie, wie sehr sie geliebt ist: Sie ist ein Mensch, ein „vollkommener Mensch,
wertgeachtet in der ihr eigenen Geschichte, in ihrem Leid, in ihrer Heilung.
An seinem Gesicht werden ihre Wunden lesbar. Umklammerung, zerstörerischer Druck
von außen – innen können benannt und so gelöst werden.
Sie darf nehmen, was sie zum Leben braucht, ohne Scheu und Angst. „Die ganze
Wahrheit“ wird ihr – wird ihm – in dieser Begegnung geschenkt.
Sie wird zugehörig: „Tochter des Höchsten“ – versöhnt mit der Vergangenheit,
gezeichnet vom Frieden
der Gegenwart.
Aufzeichnungen aus der Werkstatt
Sr. Christamaria Schröter